Vor 100 Jahren  -  Das Jahr 1900

Nicht nur die Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn kann im Jahr 2000 stolz auf Ihre 100-jährige Geschichte zurückschauen, auch in Wildau gäbe es in vielerlei Hinsicht in diesem Jahr Einiges zu feiern. Dort entbrannte seit 1897, nachdem die Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft, vormals L. Schwartzkopff, (BMAG) das alte Gutsgelände erworben hatte, eine gewaltige Bautätigkeit, die mit der Werkseröffnung im September 1900, die BMAG gibt selbst den 01.09.1900 als Produktionsbeginn an, einen ersten Abschluß fand. In den Folgejahren bis 1923 erweiterte man sowohl die Werksanlagen wie auch die gleichzeitig entstandene Werkssiedlung entlang der Schwartzkopffstraße noch mehrmals und vervollständigte die örtliche Infrastruktur. Aber bleiben wir im Jahr 1900. Am Anfang stand wie im heutigen Milleniumsjahr eine besondere Erwartung bei den Menschen, der Jahreswechsel wurde ebenso euphorisch gefeiert, war es auch nur ein "Jahrhundert-Wechsel"! 
Die Zeitungen wußten in diesem Jahr Einiges zu berichten: Der elektrische Versuchsbetrieb auf der Wannseebahn begann nach mehrmaliger Verschiebung, die schon erwähnte Eröffnung der Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn, Überlegungen zu einer Straßenbahn von Köpenick nach Schmöckwitz entlang des Dahmeufers, bei der die Finanzierung völlig offen war, die Weltaustellung in Paris, die gleich mit mehreren tödlichen Unfällen ins negative Rampenlicht geriet oder die Kolonialkriege in Afrika oder China.
Die folgende Zusammenstellung von Meldungen aus dem Teltower Kreisblatt zeigt, daß unzweifelhaft der Aufbau des Werkes der BMAG in Wildau im damaligen öffentlichen Leben des Kreises Teltow eine herausragende Rolle gespielt hat!
(Anmerkung: Bei einigen Artikeln sind Worte, die aufgrund der schlechten Vorlage nicht eindeutig entziffert werden konnten, mit ein nachgefügten Fragezeichen versehen. )

 

 
Berlin, 16. Januar.
  Zur Erleichterung des Fahrkartenverkaufs auf kleineren Bahnstationen des Berliner Vorortverkehrs, die meist nur an Sommer-Sonntagen einen stärkeren Verkehr von Ausflüglern aufweisen, will die Eisenbahndirektion die Inhaber von Restaurants in der Nähe der Bahnhöfe zur Abnahme größerer Quantitäten Billets veranlassen. Ein großer Theil des reisenden Publikums könnte sich dann vorher mit Fahrkarten versehen, ohne sich dem Gedränge aussetzen zu müssen, welches eine bekannte Begleiterscheinung der Sonntagsausflüge in die Vororte bildet.
Wildau, 20. Januar.
  Mit dem Tage der Eröffnung des theilweisen Betriebes der Berliner Maschinenbau Aktien-Gesellschaft vormals L. Schwartzkopff, am 1. April dieses Jahres, wird die Oberpostdirektion Potsdam in einem der hiesigen Beamtenwohnhäuser zunächst eine Postagentur in Betrieb stellen, die im Laufe weniger Jahre zu einem Postamte 3. Klasse erhoben werden wird.

 



 
Zeuthen, 2. Februar.
  Vorgestern hat sich kurz vor dem hiesigen Bahnhof ein trauriger Unfall ereignet. Durch Zufall war die Eisenstange, welche sich auf der Maschine des Schnellzuges Nr. 111 Berlin - Görlitz befindet, so gelegt, daß sie etwas über die Breite der Maschine hinausragte. Die Stange wurde von einem entgegenkommenden Vorortzuge erfaßt und gegen das Zugführerabtheil des Schnellzuges geschleudert, wobei sie einem jungen, auf seiner Probefahrt befindlichen Beamten derart am Kopf verletzte, daß seine sofortige Ueberführung in das Königs Wusterhausener Kreiskrankenhaus erforderlich wurde.
Zeuthen, 3. Februar.
  Ein mit Steinen beladener Kahn ist am Freitag Nachmittag im Zeuthener See in Grund gegangen. Der Zeuthener See ist zur Zeit noch mit fünfzölligem Eis bedeckt. In der Mitte des Sees ist von einer Gesellschaft eine schmale Fahrt aufgebrochen für Dampfer und Kähne. Diese Fahrt passierten gestern Nachmittag einige Kähne; leider erhielt einer derselben ein Leck durch Eisschollen, so daß er sofort sank. Glücklicher Weise konnte sich die Mannschaft auf das Eis retten.



 
Wildau, 14. Februar.
  Die Eröffnung der Haltestelle wird bestimmt am 1. April d. J. vor sich gehen. Der Tunnel ist schon heut vollständig fertig, auch liegen die Geleise bereits in ihrer endgültigen Lage. Zur Zeit ist man mit der Errichtung des Stationsgebäudes, des Warteraumes und des Abortgebäudes beschäftigt. Die Bahnsteighalle ist in der Eisenkonstruktion fertig aufgestellt. Zur Zeit schweben mit der Firma Schwartzkopff Unterhandlungen wegen elektrischer Beleuchtung der Station. Es wäre zu wünschen, wenn bei dieser Frage ein nicht allzufiskalischer Standpunkt eingenommen und der elektrischen Beleuchtung der Vorzug gegeben würde. 
Vielfach wird im Publikum die Frage erörtert, welchen Tarif die Eisenbahnverwaltung für diese neue Station einführen wird? Seit einem halben Jahre halten hier bekanntlich schon 6-8 Züge täglich. Bisher läßt die Eisenbahndirektion aber denselben Fahrpreis wie für Kgs.-Wusterhausen gelten. Da aber Wildau 3 Kilometer von Berlin näher liegt als Kgs.-Wusterhausen, so darf wohl angenommen werden, daß hier vom 1. April ab, ein entsprechend billigerer Tarif eingeführt werden wird.



 
Hoherlehme, 14. Februar.
  Die hiesige Gemeinde hat einer technischen Firma den Auftrag ertheilt, einen Bebauungsplan, zunächst nur in skizzenhafter Weise , aufzustellen. An der Hand dieser Skizze, die die Gemeinde-Vertretung so schnell wie möglich wünscht, soll alsdann über die weitere Ausarbeitung des Bebauungsplanes berathen werden.
 

 

Kgs.-Wusterhausen, 14. Februar.
  Die Gasanstalt schreitet jetzt schnell ihrer Fertigstellung entgegen. Unlängst ist auch ein Vertrag zwischen der Firma Schwartzkopff und der Gemeindevertretung unseres Marktfleckens abgeschlossen worden. Obgleich in Wildau die allgemeine Beleuchtung durch elektrisches Licht bewirkt werden wird, hat sich die genannte Firma doch auch die Gelegenheit gewahrt, Gaslicht verwenden zu können. Auch eine Anzahl Beamten- und Arbeiterwohnhäuser erhalten Gaseinrichtung.



 
Zeuthen, 24. Februar.
  Wie wir vor kurzem meldeten, ist ein Kahn mit 45 000 Verblendsteinen, die für die Schwartzkopff'schen Bauten in Wildau bestimmt waren, im Zeuthener See in Grund gegangen. Da der See an dieser Stelle nur 4m tief ist und dadurch die Fahrt gefährdet ist, werden zur Zeit Versuche zwecks Bergung des Kahnes vorgenommen.
  Gegenüber dem Bahnhof hat Herr Emil Ladestock in der Kaiser Wilhelmstraße eine Konditorei eröffnet, was von den Bewohnern des Ortes und von den zahlreichen Fremden der Villenkolonie als ein Zeichen der erfreulichen Entwicklung Zeuthens begrüßt wird.
Wildau, 9. März.
  Auf unsere auch von anderen Zeitungen übernommene Nachricht hin, daß die Schwartzkopffsche Fabrik in der zu errichtenden Kolonie Wildau im Sommer d. J. ein 10 ? klassiges Schulhaus erbaue und dasselbe zum Herbst  der Gemeinde Hoherlehme übergeben werde, gehen schon heute zahlreiche Bewerbungsgesuche um Lehrerstellen als ? , ? , Turn- und Zeichenlehrer sowohl bei den geistlichen als weltlichen Behörden ein. Alle diese Meldungsversuche sind stark verfrüht.



 
Königs-Wusterhausen, 3. April.
  Am Donnerstag, den 5. d. M., wird hier der Betrieb der Gasanstalt eröffnet werden, unsere Straßen werden sich dann zum ersten Male im neuen Lichte zeigen. Die offizielle Eröffnung findet am Montag, den 9. April, statt.
Wildau, 17. April.
  Am 1. Mai d. J. wird der Haltepunkt Wildau für den Personen- und Gepäckverkehr eröffnet werden. Zur Bedienung des Haltepunkts werden sämtliche Vorortzüge der Strecke Berlin - Königs Wusterhausen in beiden Richtungen anhalten.



 
Wildau, 26. April.
  Die von der Berliner Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft vormals L. Schwartzkopff mit einem Kostenaufwande von einigen 80 000 Mark erbaute Eisenbahnstation "Wildau" zwischen Zeuthen und Kgs.-Wusterhausen, wird am nächsten Montag seitens der Erbauerin dem Staate übergeben werden. Tags darauf, also vom 1. Mai ab, halten auf der genannten Station sämmtliche fahrplanmäßigen Züge der Görlitzer Eisenbahn. Die Gebäude der Station, sowie die gesamten Anlagen, gleichen im Allgemeinen denen auf den Bahnhöfen von Zeuthen und Eichwalde. 
Die Schwartzkopff'sche Fabrik verfügt über einen eigenen Güterbahnhof.  Mit dem 1. Juni wird die Kesselschmiede von Berlin nach Wildau verlegt, und somit der Fabrikbetrieb hierselbst beginnen. Die außergewöhnlich schlechten Witterungsverhältnisse in den letzten Monaten haben den Eröffnungstermin um acht Wochen verschoben. Von den 40 Arbeiterwohnhäusern sind erst einige fertig gestellt und beziehbar, die übrigen werden in drei bis vier Wochen bezogen werden können. Die Postagentur wird am 1. Juli eingerichtet.



 
Wildau. 1. Mai.
In vergangener Nacht um 12 Uhr 20 Min. wurde die mit Blumengewinden und Flaggen reich geschmückte Station "Wildau" eröffnet. Als der Stadtbahnzug um die genannte Zeit in den Bahnhof einlief, wurde er mit lebhaften Hurrahs seitens der zahlreichen Anwesenden und mit einem Tusch der Schäfer'schen Kapelle begrüßt, während die Lokomotive mit Kränzen geschmückt wurde. Den "ersten" Zug nach Königs Wusterhausen benutzten über hundert Personen. Die meisten Fahrgäste setzten dann bei Pfuhl einen von der Firma Schwartzkopf veranstalteten Kommers fort, der wegen Empfang des Zuges in Wildau auf eine Stunde unterbrochen werden mußte.  -  Tags vorher, am Montag früh zwischen 10 und 11 Uhr, hatte die Erbauerin der Station, die Berliner Maschinenbau- Aktiengesellschaft vormals L. Schwartzkopf, die Bahnhofs-Anlagen dem Eisenbahnfiskus übergeben. Letzterer war durch Herrn Regierungs- und Baurath Beil und Herrn Eisenbahn-Ingenieur Grothe, die Gesellschaft Schwartzkopf durch den stellvertretenden Generaldirektor Herrn Baurath Rumschöttel und Herrn Regierungs-Baumeister Witthöft vertreten. 
Am gestrigen Abend, nach Schluß der Arbeit, fand auch die Einweihung des architektonisch hervorragenden Fabrikportals in Gegenwart von rund 700 Maurern, Zimmerleuten, Arbeitern, sowie einer bedeutenden Anzahl Bauunternehmer, Lieferanten, Beamten der Gesellschaft nebst einiger geladener Gäste statt. Der Baumeister des Riesenwerkes, Herr Witthöft, hielt eine allgemein mit großem Beifall aufgenommene Rede, welche in einem dreifachen Hoch auf den deutschen Fleiß ausklang. Die Schäfer'sche Kapelle intonierte "Deutschland, Deutschland über Alles", in welches die Anwesenden einstimmten. Nach einem Ummarsche auf dem Fabrikgelände stärkten sich die Arbeiter im Magazingebäude nach Herzenslust mit vortrefflichem Königs-Wusterhausener Bier, wobei die Schäfer'sche Kapelle fröhliche Weisen aufspielte. Auch auf dem Kommerse bei Pfuhl ging es sehr fröhlich her. Den Mittelpunkt bildete der geniale Baumeister der Fabrik, Herr Regierungs- Baumeister Witthöft.



 
Wildau, 15. Mai.
  Die Schwartzkopff'sche Kolonie wächst lustig weiter. Nachdem die zuerst in Angriff genommenen 31 Wohnhäuser nahezu fertig gestellt sind, hat man weitere 8 Vier- Familienhäuser in Angriff genommen. Dieselben werden noch im Laufe dieses Monats gerichtet werden. 
Die Fabrikgebäude gehen nunmehr, nachdem der außerordentlich ungünstige Winter vorüber ist, mit raschen Schritten ihrer Vollendung entgegen. Zur Zeit wird in allen Gebäuden an der Fertigstellung der Fußböden und an der Aufstellung der Maschinen gearbeitet.
Außer den schon früher beschriebenen Gebäuden hat man noch eine große Dreherei von über 6000 Quadratmeter Grundfläche, speziell für die Bearbeitung von Lokomotivtheilen errichtet. Einen besonderen Anziehungspunkt für den Fachmann wird die Zentral- Kraftanlage bieten, welche so eingerichtet ist, daß 12 große Dampfkessel von je 200 Quadratmeter Heizfläche und 6 Dampfmaschinen  von je 400 Pferdekräften Aufstellung finden können. Außerdem wird noch eine Akkumulatorenbatterie von 300 Pferdekräften die Stromlieferung übernehmen zur Zeit des Stillstandes der Betriebsmaschinen. Die Inbetriebnahme einiger Werkstätten wird Anfangs Juni d. J. erfolgen. Bis jetzt ist der dritte Theil des Riesenwerkes fertig gestellt.



 
Hoherlehme, 15. Mai.
  In Anbetracht der demnächst eintretenden Vermehrung der Einwohnerzahl im Ortstheil "Wildau" haben die hiesigen Berhörden die Errichtung eines neuen Friedhofes beschlossen. Der neue Gottesacker erhält auch eine Leichenhalle, an der es bisher mangelte. In wenigen Jahren wird der jetzige Kirchhof vollständig belegt sein.
  Die Ausarbeitung eines Bebauungsplanes für Hoherlehme ist nunmehr der Firma Hertel u. Ieschal endgültig übertragen worden. An der Hand der ersten Entwurfsskizze fand seitens der Gemeindevertreter eine Besichtigung des zunächst für die Hauptstraßen in Betracht kommenden Geländes statt. In die Gemeindevertretung hat man auch den Regierungsbaumeister Witthöft von der Firma Schwartzkopff gewählt.
Wildau, 16. Mai.
  Der Schwartzkopff'sche Schiffahrtskanal geht seiner Vollendung entgegen. Gegenwärtig werden noch die vom Wasser bespülten Böschungsflächen mit Faschinen belegt, wonach der Gebrauchnahme keine Hindernisse mehr im Wege stehen. Am Kanal selber werden zahlreiche Materialbuchten errichtet, welche von den Schiffen aus mit einem großen elektrisch angetriebenen und fahrbaren Portalkrahn beschickt werden.   Anfangs Juni wird mit dem Bau einiger Werkstätten begonnen werden. Eine Eröffnungsfeier findet vorläufig noch nicht statt. Die Postagentur wird dem Verwalter des Konsums übertragen werden. Da voraussichtlich nach einem Jahre die Agentur in ein Postamt umgewandelt werden dürfte, soll schon im Herbst zum Bau eines Postgebäudes, welches die Behörde zu miethen gedenkt, geschritten werden.



 
Wildau, 17. Mai.
  Das in Angriff genommene Schulgebäude liegt auf der Chaussee Zeuthen - Kgs.-Wusterhausen inmitten der ganzen Bebauung. Nach dem Entwurfe enthält dasselbe 7 Klassen für je 61 Schüler, bzw. Schülerinnen. 2 weitere Klassen sind zunächst zu einem größeren Raum zu einer Aula vereinigt, welche neben den Schulzwecken auch der Abhaltung des Gottesdienstes für so lange dienen soll, bis die neue Kirche errichtet sein wird. Auch für den Rektor und für die übrigen Lehrer sind Zimmer vorgesehen. 
Im Souterrain ist eine geräumige Wohnung für den Schuldiener angeordnet. Die Heizung erfolgt von den Fluren aus zu bedienenden Mantelöfen: Für ausreichende Ventilation ist Sorge getragen, indem die frische Luft zwischen Ofen und Mantel in den Raum gelangt und auf diese Weise im Winter vorgewärmt in das Klassenzimmer tritt. 
Das Schulgebäude erhält Wasserleitung und Kanalisation.
Diese Einrichtungen sind an die Anlagen der Schwartzkopff'schen Werke angeschlossen. Auf der Ostgrenze der 11/2 Morgen großen Schulgrundstückes wird noch eine Turnhalle nebst Abortanlagen errichtet. Das Gebäude wird nach dem vom Schulvorstande vorgeschriebenen Programm erbaut. Der Bauplan ist derartig eingerichtet, daß dasselbe Gebäude als Spiegelbild angebaut werden kann, so daß auf diese Weise eine 8klassige Doppelschule entsteht. Auch für dieses Gebäude ist entsprechend den übrigen Schwartzkopff'schen Bauten der deutsche Backsteinstil mit weißen Putzblenden gewählt, so daß auch hierin der einheitliche Zug, der die ganze Anlage durchwebt, gewahrt ist. Das Gebäude muß am 1. Oktober d. J. fertig gestellt sein und geht von diesem Tage an in den Besitz der Gemeinde Hoherlehme über, welche alsdann die Unterhaltung der Schule und Besoldung der Lehrkräfte übernimmt. Das Schulgebäude wird der Schwartzkopff'schen Fabrik auf rund 100 000 M zu stehen kommen.



 
Berlin, 4. Juli.
  Die Ausgabe der Ferienkarten von den Berliner Bahnhöfen und Stadtbahnstationen nach den Vororten hat am Montag begonnen. Gestern schon war der Andrang des Publikums zu den Fahrkarten-Ausgabestellen, namentlich des Schlesischen, Stettiner, Potsdamer und Anhalter Bahnhofs, ganz bedeutend. 
Meist werden Stamm- und Nebenkarten dritter Klasse für die ganze Dauer der Ferien - 7. Juli bis 13. August - verlangt; da die Gültigkeitsdauer den Zeitraum eines Monats um sechs Tage überschreitet, so erhebt die Eisenbahnverwaltung zu dem tarifmäßigen Preise der gewöhnlichen Monatskarten einen geringen Zuschlag. Mit dieser Einrichtung sind namentlich Familienväter des Mittelstandes, die sich und den Ihrigen keine weite Badereise gestatten können, sehr zufrieden.



 
Wildau, 4. Juli.
  Auf dem Baugelände der Berliner Maschinenbau- Aktiengesellschaft vorm. L. Schwartzkopff wurden dem Arbeiter Paul Lippstreu beim Niederlegen einer schweren Eisenplatte der Zeige- und Mittelfinger der linken Hand zerquetscht, sodaß das Endglied und ein Theil des mittleren Gliedes des Mittelfingers vom Kassenartzt Herrn Dr. Luebecke in Zeuthen operativ entfernt werden mußten.
Wildau, 10. Juli.
  Eine zweite größere Fabrikanlage sieht man jetzt gegenüber der Schwartzkopff'schen Maschinenbauanstalt, jenseits der Dahme, in der Entstehung begriffen. Die Vereinigten Berliner Mörtelwerke lassen durch Herrn Baumeister Neumann eine Fabrik für künstlichen Sandstein errichten. 3 Fabrikgebäude sind bereits gerichtet, demnächst wird auch mit dem Bau von Arbeiterwohnungen begonnen werden. In den Bauetat ist vorläufig eine halbe Million Mark eingestellt.



 
Grünau, 10. Juli.
  Spät kommt sie, aber sie kommt, nämlich die Bahnsteigüberdachung Grünaus, wie sie andere Görlitzerbahn-Stationen im Vorortverkehr schon seit Jahren aufweisen. Herrn Hofzimmermstr. Neumann - Kgs.-Wusterhausen sind die Arbeiten für die etwa 200m lange Halle übertragen worden, doch dürften über deren Fertigstellung noch mehrere Wochen vergehen, da die eisernen Träger nicht sofort geliefert werden können. Wenn nur der Regen auch so lange wartete!
Zeuthen, 10. Juli.
  Ein Zusammenstoß zwischen einem Schleppdampfer und einer Segelyacht ereignete sich vorgestern auf dem Zeuthener See, gegenüber dem Restaurant Hankels Ablage. Der Dampfer, welcher stromabwärts fuhr, überrannte die Segelyacht "Elsa", auf welcher sich sechs Personen befanden. Die "Elsa" sank sofort. Die Segelyacht "Hans" der Herren Frischgesell und Müller, welche nur zwanzig Meter von der Unglücksstelle entfernt war, eilte zur Rettung herbei; es war aber der Mannschaft bereits gelungen, sich auf den Dampfer zu retten. Das Wrack wurde später nach dem Ufer geschleppt.



 
Hoherlehme, 17. Juli.
  Der in der chemischen Fabrik von Hugo Blank beschäftigte Arbeiter Friedrich Brosowski aus Niederlehme ist am Sonntag Nachmittag beim Baden in der Dahme ertrunken. Seitens des Arztes wurde Gehirnschlag festgestellt. Der Verunglückte hinterläßt außer seiner Frau auch 3 Kinder.
Wildau, 18. Juli.
  Beim Baden im Schwartzkopff'schen Kanal ist vorgestern Abend der 19 jährige Arbeiter Otto in Folge eines Herzschlages ertrunken. Der Tod des soliden, ordentlichen jungen Mannes erregt bei seinen Bekannten allgemeine Theilnahme. Nach halbstündigem Suchen wurde die Leiche gefunden.



 
Wildau, 25. August. 
  Die theilweise Eröffnung der Schwartzkopff'schen Maschinenbaufabrik steht binnen etwa 3 Wochen bevor, daher wird zur Zeit noch mit fieberhafter Thätigkeit auf der Baustelle gearbeitet. In allen Werkstätten arbeitet eine starke Kolonne bei Aufstellung der Maschinen. Zunächst soll die Kesselschmiede in Betrieb genommen werden. Kurze Zeit darauf wird auch in der Lokomotiv-Montirwerkstatt, in der Dreherei und in der Lackiererei der Betrieb aufgenommen werden. Nahezu 100 Schlosser, welche unter der Leitung mehrerer Meister hier schon tätig sind, sind auf die einzelnen Werkstätten vertheilt und beschleunigen die Fertigstellung derselben. Seit etwa 8 Tagen ist die Kesselanlage in Betrieb und auch die erste große Dampfmaschine mit Dynamo ist gegenwärtig im Probelauf begriffen. Die Zentralkraftanlage dürfte das allgemeinste Interesse erwecken, sowohl was die gesammte Einrichtung als auch  die Ausstattung der Räume anbetrifft. Die Maschinenstube selbst, welche imstande ist, 6 große Dampfmaschinen aufzunehmen, erfreut den Besucher durch ihre bis ins Kleinste durchgearbeitete Ausstattung. Der Raum ist reichlich bemessen, und die Höhe in Folge  Anordnung eines Lastkrahns verhältnismäßig bedeutend, so daß ein stets genügender Luftraum verfügbar ist, um in der heißen Jahreszeit dem Maschinisten den Aufenhalt erträglich zu machen. Die Wände sind in einfach würdiger Weise ausgemalt und sind in den einzelnen Catouchen alle Gebäude? der Fabrik bildlich dargestellt. Ein Holzpannel schützt die Wände vor Verletzungen während des Betriebes. Der Fußboden ist mit Fließen belegt und wird diese Ausstattung nicht verfehlen, die Maschinisten zur größten Ordnung und Sauberkeit anzuhalten. 

Mitten von der einen Längswand befindet sich eine stattliche Schalterwand, welche aus 2 weißen Marmortafeln besteht, zur Aufnahme der Schaltapparate. Die Marmortafeln sind von einem schwarzen Holzrahmen umgeben. Es ist uns beim letzten Besuche der Fabrik aufgefallen - und so dürfte es wohl jedem Besucher ergehen - daß man hier in der Anlage, wo Dampf- und elektrische Maschinen arbeiten, weder Dampf- noch elektrische Leitung sieht. Alle  bezüglichen Leitungen sind in der unterkellerten Maschinenstube untergebracht. 
Auch die Wasserversorgung der Kolonie ist seit länger als Monatsfrist in Benutzung genommen. Die meisten Leitungen sind als Ringleitungen ausgebildet, so daß bei Schadhaftigkeit einer Leitung niemals eine längere Störung hervorgerufen werden kann. Der Wasserbehälter ist so hoch gestellt, daß das Wasser an jeder Stelle noch mit etwa 2 1/2 Atmosphären Überdruck aus dem Hydranten austritt, so daß bei Feuersgefahr die Anwendung einer Spritze überflüssig wird. Gleich bei Beginn des Betriebes wird eine starke Fabrikfeuerwehr gebildet, deren Alarmirung durch höchst einfache und zweckmäßige Einrichtungen erfolgt. Auch die Wohnhäuser der Kolonie sind soweit gefördert, daß dieselben vom 1. Oktober d. J. bezogen werden können. Es ist nach diesen Wohnungen begreiflicher Weise ein starker Begehr und wird zunächst nur der ältere Stamm dort untergebracht werden können. Immerhin sind Wohnstätten für etwa 400 Arbeiter geschaffen. Sollte die in Aussicht genommene private Bauthätigkeit nicht energisch vor sich gehen, so wird die Errichtung neuer Wohnungsanlagen die Schwartzkopff'sche Fabrik ins Auge fassen müssen. 



 
Grünau, 14. September.
  Nun hat auch unser stark von Ausflüglern besuchter Vorort nach Jahre langem Bemühen eine prächtige Bahnsteigüberdachung erhalten, für deren Herstellung im Etat 90 000 M vorgesehen waren. Die Arbeiten wurden an verschiedene mindestfordernde Bauhandwerker vergeben, in Folge dessen belaufen sich die Gesammtkosten nur auf etwa 45 000 M. 
 
Eine andere Neuerung auf hiesigem Bahnhofsterrain ist auch die Einführung elektrischen Lichtes. Am Bahnhofsvorplatz sind 5 und in der Halle, beziehungsweise am ersten Bahnsteig 6 Bogenlampen angebracht, außerdem erhellen den Bahnhof noch einige 20 Glühlampen. Dass gestrige Probebrennen ist zur vollsten Zufriedenheit ausgefallen. 



 
Wildau, 5. Oktober.
  Die Schwartzkopff’sche Fabrik hat mit dem theilweisen Betriebe begonnen: seit einigen Tagen arbeiten einige hundert Arbeiter in der Lokomotivbau- Abteilung. 
Noch im Laufe dieses Monats ziehen von Berlin nach Wildau vorläufig noch 150 Familien. Anfangs des nächsten Monats beginnen hier zwei Lehrer ihre Thätigkeit. Um diese Zeit wird auch die Postagentur errichtet werden. 



 
Wildau, 19. November.
  Hier wird am 22. November eine Postagentur ohne Telegraphenbetrieb unter der Bezeichnung Wildau (Kreis Teltow) in Wirksamkeit treten. Die neue Verkehrsanstalt erhält ihre Postverbindung durch die Vorortzüge 858, 859, 870, 378, 377, 389, 390 der Strecke  Berlin - Königs- Wusterhausen. 
Dem Landbestellbezirk der Postagentur werden folgende Wohnstätten zugetheilt: a) vom Bezirk des Postamts in Königs Wusterhausen: die Dachpappenfabrik von Weber & Falkenberg, die Pulverfabrik und das Dorf Hoherlehme, b) vom Bezirk des Postamts in Zeuthen (Mark): die Essigfabrik von Blank.



 
Wildau, 23. November.
  Die von der vormals L. Schwartzkopff'schen Maschinenfabrik durch den Regierungsbaumeister Herrn Witthöft erbaute Schule ist gestern Nachmittag 4 Uhr der politischen Gemeinde übergeben worden. Zuerst wurde das ganze Schulgebäude vom Keller bis zum Boden Seitens der Herren Sachverständigen  vom Kgl. Landrathsamte, denen sich sämtliche Erschienenen angeschlossen hatten, besichtigt. Es zeigte sich überall, daß alles mit der höchsten Sorgfalt ausgedacht und ausgeführt war, und die Maschienenbau-Gesellschaft ihre übernommenen Verpflichtungen auf das Beste und Dankenswertheste erfüllt hat. Hierauf wurden durch den Orts und Kreisschulinspektors Herrn Superintendenten Schumann in dem einen Zimmer die Schulkinder versammelt und der einzige Lehrer , der bis jetzt genügt, in das Amt eingewiesen. Vorläufig sind rund 50 Schulkinder vorhanden.
Wildau, 1. Dezember.
  Der erste Gottesdienst in der Aula der neuen Gemeindeschule wird morgen Nachmittag um 1/2 3 Uhr stattfinden. Die Weihrede hält der Herr Generalsuperintendent D. Dryander. An der Feier werden theilnehmen, Vertreter des Konsistoriums, der Regierung, der Kreisbehörde, einige benachbarte Geistliche, die Direktion der Schwartzkopff'schen Maschinenbauanstalt, die kirchlichen Körperschaften, die Gemeindevertretung und ungefähr 150 mit Einlaßkarten versehene Personen. Eine sehr große Anzahl von Gesuchen wegen Einlaßkarten mußten wegen Raummangels abgelehnt werden.

 



 
Wildau, 4. Dezember.
  Am Sonntag Nachmittag fand die festliche Einweihung der in dem neuerbauten Schulgebäude befindlichen Aula durch einen Festgottesdienst statt, an welchem über 350 Personen theilnahmen. Die Weihe vollzog an Stelle des noch in letzter Stunde durch die Kaiserin nach ? gesandten Generalsuperintendenten D. Dryander Herr Konsistorialrath und Hofprediger Ketzinger. Außerdem waren erschienen die Herren Geh. Oberbaurath Müller vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Landrath v. Stubenrauch, Rendant Hannemann, Konsistorial Assessor Schulz, Amtsvorsteher Ober-?-rath Herbst, Bürgermeister Babenzien, das gesammte Direktorium der Berliner Maschinenbau-Aktiengesellschaft Rumschöttel, Eich, Bachmeier und Kemperer, die benachbarten Geistlichen Rochow Zeuthen, Lützow Eichwalde, Langenmuth Gräbendorf, -?- Herrmann?, Ingenieur Leithold, Archithekt Dittrich, Rathszimmermeister Martin u. A. Die hier letztgenannten Herren waren bei der Ausführung des Baues in hervorragender Weise betheiligt. Die gesammte Gemeindevertretung von Hoherlehme empfing die Vertreter der Behörden auf dem Bahnhof Wildau. Das Schulgebäude war durch Guirlanden und Wimpel reich geschmückt. Am Portal hatte der Lehrer? Sielicke? mit der Schule Aufstellung genommen. Dort empfingen die beiden Pfarrer von Kgs.-Wusterhausen die ankommenden  Herren. Die Feier wurde eröffnet durch ein stark
besetztes Quartett, welches aus Angestellten der Aktiengesellschaft, unter Leitung des Musikdirigenten Voigt, gegründet worden war. Nach einem Präludium auf dem vortrefflichen Harmonium, trug das Quartett die Hymne "Die Engel rühmen des Ewigen Ehre" recht stimmungsvoll vor. Danach hielt Hofprediger Ketzinger die Weihrede, der er das Wort der Schrift -?- 24.9? zu Grunde legte. Der Geistliche schloß damit, daß er die Aula zum gottesdienslichen Gebrauch für die Gemeinde Hoherlehme weihte. Darauf folgte der Gemeindegesang "Wie soll ich Dich empfangen", bei dem , wie auch bei den übrigen Gesängen, Pastor Rochow die Begleitung auf dem Harmonium ausführte. Nun begann der eigentliche erste Gottesdienst, bei dem Superintendent Schumann die Liturgie und Pfarrer Schumann-Kgs.Wusterhausen die Predigt über Philipper 4.5 hielt. Den Schluß mit Vater Unser und Segen vollzog wieder Hofprediger Ketzinger, welcher auch, nachdem noch das Quartett den ersten Vers von "Nun danket alle Gott" gesungen hatte, dem Direktor Rumschöttel, dem Landrath von Stubenrauch, sowie auch dem örtlichen Betriebsleiter des Werkes Wildau, Regierungsbaumeister Rundfeld, den Dank der kirchlichen Behörden für die thatkräftige Mithilfe aussprach. Nach Schluß des Gottesdienstes fand noch durch Pastor Schumann die Taufe von den 3? weiteren? Gliedern der neuen Kirchen-Gemeinde statt.

Unterdessen hatten die Ehrengäste, unter Führung des Regierungs- Baumeisters Witthöft, das Schulhaus nebst Turnhalle besichtigt. Die vor dem Portal bereitstehenden Wagen führten sodann etwa 40 der geladenen Herren nach Kgs.-Wusterhausen, wo im Hotel Pfuhl ein Mittagsmahl stattfand. Bei dem Mahle brachte der Kgl. Amtsrath Schmidt Carlshof den Kaisertoast aus, worauf die Nationalhymne gesungen wurde. Als Vertreter der Gemeinde Hoherlehme begrüßte Regierungsbaumeister Witthöft die erschienenen Gäste in einer zu Herzen gehenden Ansprache, in der auch launige, mit großem Beifall aufgenommene Seitenhiebe nicht fehlten. Beispielsweise wies er auf das schlechte Gewissen hin, welches sich bei dem Erscheinen des gesammten Direktoriums der Berliner Maschinenbau- Aktien- Gesellschaft insofern fühlbar machte, als die Gemeinde Hoherlehme ursprünglich dem Schwartzkopff'schen Unternehmen mit etwas Mißtrauen entgegen gekommen sei, und sich nicht in genügendem Maße an manchen, der allgemeinen Wohlfahrt dienenden Einrichtungen betheiligt habe. Hofprediger Ketzinger antwortete mit einem Hoch auf die Gemeinde Hoherlehme, indem er ausführte, daß wir in dem Verhältnis zwischen dem alten Ort und der neuen Kolonie ein Bild vor Augen hätten, wie Landwirthschaft und Industrie, statt miteinander im Gegensatz zu stehen, in bester Harmonie leben und eines zum Gedeihen des anderen beitragen könne. Herr Landrath von Stubenrauch führte  den Gedanken weiter aus, indem er darauf hinwies, daß die ganze hiesige Anlage, deren Seele der örtliche Leiter, der Regierungsbaumeister Witthöft ist, dazu geeignet sei, die sozialen Gegensätze nach Möglichkeit zu mildern, und auch dem Arbeiter eine Stätte zu schaffen, wo er nicht nur als Arbeiter, sondern auch als Mensch geachtet werde. Sein Hoch galt der Aktiengesellschaft, indem er dem Wunsche Ausdruck gab, daß der Aktiengesellschaft Schwartzkopff der Schritt, den sie in den Kreis Teltow gethan, nie leid werden möge. Direktor Kemperer dankte den Behörden, vor Allem aber Herrn Landrath von Stubenrauch, der durch die prompte Erledigung aller Angelegenheiten ein wesentliches Verdienst an der schnellen Fertigstellung des Werkes habe. Sein Dank klang aus in einem Hoch auf den allbeliebten und hochgeschätzten Landrath des Kreises Teltow, Herrn von Stubenrauch. Superintendent Schumann, der darauf das Wort nahm, gab der neuen Kirchengemeinde, die aus dem bisherigen Verbande mit Kgs.- Wusterhausen heraustritt, als bisheriger Pfarrer seine Segenswünsche mit auf den Weg. Bürgermeister Babenzien Kgs.- Wusterhausen trank auf gutes nachbarliches Verhältnis. Inzwischen hatte die Tafel, bei der Violin- Meister Schäfer mit seiner Kapelle durch ausgesuchte und mit gewohnter Meisterschaft vorgetragene Musikstücke erfreut hatte, ihr Ende erreicht. Den Schluß des Festes bildete ein zwangloser Kommers, an dem sich noch eine große Zahl der Gäste betheiligte.



 
Wildau, 5. Dezember.
  Der Betrieb in den neuen Fabrikanlagen der Firma Schwartzkopff nimmt von Tag zu Tag einen größeren Umfang an. Schon in den nächsten Tagen wird der erste Lokomotivkessel die Fabrik verlassen. Sehr bald werden die weiteren Kessel und fertigen Lokomotiven folgen. Eingerichtet ist das hiesige Werk zur Herstellung von 300 Lokomotiven jährlich. Wenn auch der Preußische Eisenbahnfiskus den hauptsächlichen Abnehmer darstellt, so ist auch andererseits das Ausland mit Bestellungen vertreten, so die finländischen Staatsbahnen, die Türkei und die Schantung Eisenbahngesellschaft in China. 
Wenn man vom fachmännischen Standpunkte die Produkte prüft, so gelangt man zu der Ueberzeugung, daß diese zur Erhöhung des guten Rufes, den die deutsche Industrie im Auslande genießt, sicherlich beitragen.
  Zu unserem Berichte in der gestrigen Nummer über den Festgottesdienst sei berichtigend nachgetragen, daß es in Zeile 53 von oben nicht Regierungsbaumeister Rundfeld, sondern Witthöft heißen muß. Dieser Herr ist der örtliche Betriebsleiter des Werkes Wildau und gehörte zu den Persönlichkeiten, welchen Herr Hofprediger Ketzinger den Dank der kirchlichen Behörden aussprach.



 
Wildau, 10. Dezember.
  Die großen Fabrikanlagen, die wir in letzter Zeit allenthalben an der Peripherie unserer Riesenstadt sowohl, wie in weiter entlegenen Vororten aus dem Boden emporwachsen sehen und welche nach dem Bau des Teltowkanals in noch größerer Zahl entstehen dürften, verdanken ihre Existenz hauptsächlich den praktischen und hygienischen Anforderungen, welche die Neuzeit mit unabweisbarer Notwendigkeit an eine solche moderne Anlage stellt. Da werden nicht Mühe noch Mittel gescheut, Hunderttausende, ja Millionen von Mark fangen an zu arbeiten und lassen das zur Wirklichkeit werden, was in jahrelanger Arbeit an grandiosen Plänen und Entwürfen geniale Männer vorbereitet und ersonnen haben. Unzweifelhaft ist die gewaltigste und großartigste dieser modernen Fabrikanlagen diejenige der Schwartzkopff'schen Maschinenbau- Aktien-Gesellschaft hierselbst. Von der Ausdehnung der Anlage kann sich nur der einen rechten Begriff machen, der Gelegenheit hat, dieses ganze Etablissement in all' seinen Haupt- und Nebenanlagen eingehender zu besichtigen. Da reihen sich in einfachen, charakteristischen Formen mittelalterlicher Backsteinbaukunst Gebäude an Gebäude in reizvoller Silhouette, jedes für sich ein kolossaler Raum von ca. 8 000 bis 10 000 qm Grundfläche, der durch zahlreiche Fenster in den Umfassungswänden und sinnreich erdachte Oberlichtkonstruktionen vom Tageslicht reichlich erhellt wird. Es würde zu weit führen, wenn man hier auf alle die Einzelheiten technischer Errungenschaften, deren gerade der moderne Fabrikbau so viele aufweist, näher eingehen wollte; nur soviel sei zu nicht geringem Lobe der Schöpfer und Leiter dieser Anlage gesagt, daß sie wohl in jeder Beziehung als ein Muster und Musterbau nicht nur in den Augen des Laien, sondern auch des Fachmannes gelten muß. Dies beweisen auch die wiederholten Besuche, die Schüler unserer Technischen Hochschule unter liebenswürdiger
Führung des genialen Leiters der Anlage, des Herrn Regierungsbaumeisters Witthöft, dem Etablissement abgestattet haben. Aber nicht nur für eine in jeder Beziehung praktischen und hygienischen Bedürfnissen entsprechende Einrichtung der Fabrik- und Arbeitsräume ist bestens Sorge getragen, sondern auch für ein freundliches Unterkommen der Meister und Arbeiter der Fabrik in eigens erbauten, kleineren Familienhäusern. Diese, ungefähr 100 an Zahl, inmitten freundlicher Gärtchen gelegen, bilden mit ihren architektonisch so zierlich und reich ausgebildeten Giebeln, den Backsteinformen der Fabrikgebäude entsprechend, einen reichen Schmuck für die von Eichwalde nach Königs- Wusterhausen führende Chaussee. Auch für die Erziehung und Unterweisung der den Familien gehörigen Kinder ist durch den reizvollen Bau einer mehrklassigen Gemeindeschule nebst Turnhalle Fürsorge getroffen, und solange dieser in so kurzer Zeit aufgewachsenen und nunmehr selbstständig gewordenen Gemeinde noch ein eigenes Gotteshaus fehlt, ist in dieser Schule die Aula, die zweckentsprechend ebenfalls nach speziellen Angaben des genannten Baumeisters im gothischen Stil künstlerisch und geschmackvoll ausgemalt ist, vor der Hand als Raum für Schul- und Kirchenzwecke zugleich hergerichtet worden. 
Wenn man dies Alles erwägt, so muß man sich fragen, ob man mehr die ganze Anlage in ihren musterhaften Einrichtungen, oder den Geist der Männer bewundern soll, die dieses Werk mit so großer Sachkenntnis, Umsicht und Emsigkeit zur Ausführung gebracht haben. Wenn am letzten Sonntage die Vertreter der Geistlichkeit in warmen Dankesworten der Männer gedachten, die zum Werden, Vollbringen und Gelingen des ganzen Werkes nach besten Kräften beigetragen haben, so muß diese Anerkennung in erster Linie auch dem Herrn Regierungsbaumeister Witthöft, dem bewundernswerthen Leiter und Erbauer des Ganzen, gelten. 



 
Wildau, 19. Dezember.
  Die Verwaltung der Postagentur "Wildau" übernimmt von heute ab der Leiter des Schwartzkopff'schen Konsums, Herr Gotthelf; zu dessen Ausbildung im Postdienst der Assistent Herr Briesemeister aus Potsdam sich hier 3 Wochen lang aufhielt. Nicht lange dürfte es dauern und die mehrere hundert Jahre alte Gemeinde Hoherlehme wird in der jungen, etwa 3 Monate alten Kolonie Wildau aufgegangen sein, denn wir haben hier bereits Eisenbahn- und Poststation, Telegraphie und Telephonie, ferner neben elektrischem auch Gaslicht, und Hoherlehme muß schon heute seine Post- und Eisenbahnsendungen adressieren lassen: Hoherlehme bei Wildau.
Der hier stationierte Postbote hat bereits vollauf zu thun, denn zum Postbezirk Wildau gehören außer dem eine halbe Stunde entfernten Hoherlehme auch einige größere Fabrikdistrikte, die früher durch das Amt Zeuthen postalisch versorgt wurden. Die Briefbestellung erfolgt zwei Mal am Tage, die Bahnpost wird täglich sieben Mal abgefertigt. In den Schwartzkopff'schen Häusern wohnen zur Zeit 240 Personen, 150 Arbeiter benutzen früh und abends die für die Schwartzkopff'schen Arbeiter eingelegten Eisenbahnzüge. Erst zum Frühjahr ist größerer Zuzug von Arbeiterfamilien zu erwarten. Der hiesige Betrieb ist vorläufig noch ein schwacher und erfordert nur rund 300 Arbeiter. Ungefähr 2000 Personen bleiben in dem Berliner Werk noch längere Zeit beschäftigt.



Weitere Artikel aus dem Teltower Kreisblatt finden Sie im historischen Pressearchiv der Heimatfreunde Zeuthen.


StartseiteSeitenanfangnächste Seite - bmain109 -   ©  SCHWARTZKOPFF-WILDAU  2000